Lesezeit: 10 Minuten
von Oliver
Oft weiß man beim Namen des Autors schon, in welche Richtung es gehen kann und welche Mechanismen einen erwarten. So auch meist bei Stefan Feld. Fein verzahnte Mechanismen, mehrstufige Schlusswertungen, zentrales Element und anspruchsvolle Taktiken. Nicht selten auch mit Worker-Placement-Elementen. Was hingegen eher selten vorkommt, zumindest bei den bisherigen Titeln der City Collection, sind Rennspiele. Diese verortet man eher bei anderen Autoren. Doch was, wenn typische Stefan-Feld-Elemente mit einem Rennspiel gepaart werden? Nun, dann fehlen nur noch ein passender Titel plus Setting, und fertig ist ein neues Mitglied in der City Collection Familie. Auf die Plätze … fertig … los …!
Name: Kathmandu (SFCC Nr.8)
Für 2 bis 4 Spieler, ab 14 Jahren
Autor: Stefan Feld
Illustrationen: Patricia Limberger, Lukas Siegmon
Verlag: Queen Games
Spieldauer: 75-120 Minuten
Platzbedarf: zu viert ca. 140×90 cm
Verlagstext
Bist du bereit für ein Abenteuer, das dich durch die majestätischen Landschaften Nepals führt? In Kathmandu übernimmst du die Rolle eines mutigen Expeditionsleiters, der sein Yak durch atemberaubende Täler, dichte Wälder und mystische Tempel führt. Doch sei gewarnt: Ein gefährlicher Sturm ist dir dicht auf den Fersen! Du musst strategisch planen, wertvolle Ressourcen sammeln und geschickt handeln, um dein Ziel rechtzeitig zu erreichen. Kannst du dem Sturm entkommen und als Erster das sagenumwobene Kathmandu erreichen?
Quelle: https://new.queen-games.com/kathmandu/
Der grobe Spiel-Ablauf
In der Tischmitte liegen je nach gewünschter Spiellänge sechs bis acht Tafeln mit unterschiedlichen Landschaften in variabler Anordnung. Am Ende liegt Kathmandu – unser Ziel. Wir betrachten hier einmal das normale Spiel mit sechs Tafeln.
Jede Person besitzt ein persönliches Tableau zur Verwaltung von Würfeln, Karten, Ressourcen und so weiter. Ausserdem hat jede Expeditionsteilnehmerin 10 Yak-Plättchen, 9 Opferkerzen, 5 Startressourcen und 6 Würfel. Sowie das „übliche“ Spielmaterial (Punktemarker und Spielfigur).
Die Spiel-Vorbereitung geht schnell und schon kann es losgehen. Wer an der Reihe ist, wählt einen Würfel aus und beginnt seinen Zug. Die Farbe des gewählten Würfels gibt an, welche Ressource (1x) man sofort nehmen darf, während die Augenzahl des gewählten Würfels die Schrittweite der eigenen Figur bestimmt. Gezogen werden kann immer nur orthogonal und immer nur in eine Richtung. Abbiegen ist nicht erlaubt, es sei denn, man kann eine entsprechende Aktionskarte ausspielen.
Nachdem wir unsere Figur gezogen haben, prüfen wir die Landschaftsart (Farbe) des Feldes, auf dem wir gelandet sind. Passt die Landschaft zum Yak-Plättchen? Perfekt, wir können hier ein weiteres aufdecken und kommen einem Teilziel damit näher. Zusätzlich gibt die Landschaft noch vor, ob wir uns eine zur Landschaft passende, offen ausliegende Aktionskarte nehmen dürfen. Diese könnte uns im weiteren Spielverlauf nützlich sein. Oder wir wählen eine oder mehrere ausliegende Tierkarten, die wir ebenfalls für spätere Punkte sammeln können (sollten). Voraussetzung für beide Kartenarten ist aber, dass wir diese mit den passenden Ressourcen auch bezahlen können.
Landen wir mit unserer Spielfigur auf einem Tempel, dürfen wir uns zunächst ein Stück einer Landkarte nehmen, was ebenfalls am Ende Punkte einbringt. Ausserdem platzieren wir in diesem Tempel noch eine Opferkerze unseres Tableaus. Auch das bringt, wer hätte es gedacht, Punkte. Ähnlich läuft es beim Erreichen einer Stadt. Dort können wir durch Abgabe der passenden Ressource Warenplättchen kaufen, die Punkte einbringen.
Drei unserer sechs Würfel setzen wir pro Runde ein. Genug, um von Plan-A zu Plan-B zu Zwickmühle wechseln zu müssen. Am Ende jeder Runde wird die Kartenauslage ergänzt, der neue Startspieler bestimmt und wir prüfen die Wetterkonditionen. Trifft uns dabei schlechtes Wetter, wandert eine Regenfront auf dem Spielfeld vorwärts. Werden wir von dieser eingeholt, bekommen wir einen „Erschöpfungsmarker“. Drei von diesen dürfen wir maximal haben, bevor wir aus lauter Erschöpfung eine Runde pausieren müssen.
So bewegen wir uns Runde für Runde von einer Spielfeld-Tafel zur nächsten. Bezahlen am Übergang jeweils eine Ressource „Futter“ für unser Yak und eine weitere Ressource für jede Bewegung, die entgegen der Windrichtung der aktuellen Tafel durchgeführt wird. Schaffen wir es dann als Erster bis ins Ziel nach Kathmandu, winken noch einmal lukrative Punkte als Belohnung.
Und am Ende gewinnt, wer die meisten Punkte hat.
Meine Erfahrungen und Eindrücke
Ja, auf den ersten Blick erinnert der Aufbau ein wenig an Kinizias „El Dorado“. Aber keine Angst, das ist nur der erste optische Eindruck. Bereits nach dem ersten Spielzug merkt man, dass hier alles anders ist.
Die Spielregeln sind nicht sonderlich kompliziert, verglichen mit den bereits erschienenen Titeln der City Collection. Rasch kommt man also ins Spiel hinein. Doch das war es dann schon mit „einfach“. Recht schnell kommt man in Zwickmühlen, denn man möchte mehr tun, als man darf. Nichts möchte man auslassen, nichts vernachlässigen. Doch genau hier ist die Krux. Es geht nicht! Man muss einen Mittelweg finden. Klar, man kann um jeden Preis das Spiel als Rennspiel betreiben und versuchen, mit möglichst hohen Augenzahlen in Richtung Kathmandu zu marschieren, wenn man unterwegs die Minimalanforderungen an Ressourcen hat, beziehungsweise beschaffen kann. Aber das bringt am Ende nur magere 15 Punkte ein. Dem entgegen stehen bis zu 18 Minuspunkte für nicht erfüllte Yak-Plättchen sowie keine Punkte für Waren, Waren-Sets, Landkarten und Opferkerzen. Somit scheidet die „Renn-Variante“ schon einmal komplett aus.
Ich habe noch zwei weitere Strategien ausprobiert. Eine war die Opferkerzen-Strategie. Gelingt es, alle Opferkerzen zu platzieren, spült dies 55 Punkte auf das Konto. Doch dabei geraten zum einen die Yak-Plättchen ins Hintertreffen (-18 Punkte) und man ist langsamer unterwegs (2-20 Minuspunkte).
Die Tierkarten-Strategie war der nächste Versuch. Dies erfordert zum einen die passenden Ressourcen, zum anderen auch einen suboptimalen Weg, den man einschlagen muss. Kostet also wertvolle Ressourcen und Zeit. Bringt aber auch viele Punkte, da der Wert einer Tierkarte ja immer aus der Differenz aus Spielerin mit maximaler Anzahl Tierkarten und Spielerin mit minimaler Anzahl Tierkarten berechnet wird. Könnte sich also lohnen. Dem entgegen stehen aber wieder die Yak-Plättchen und die nicht platzierten Opferkerzen. Dennoch hat mir diese Strategie zusammen mit dem Erreichen von Kathmandu und dem Erfüllen von mind. 5 Yak-Plättchen am besten gefallen.
Ich bin also der Meinung, dass es keine Strategie gibt, bei der man sich nur auf ein Element fixieren kann. Das Geheimnis bei Kathmandu liegt viel mehr in einer gesunden Mischung aus allem. Diese Mischung wird allerdings durch das Tun der Mitspielenden beeinflusst und durch die Möglichkeiten, die einem die Würfel als Glückselement bieten. Wenn man dann noch im Spiel rechtzeitig erkennt, welche Minuspunkte man höchstwahrscheinlich bekommt, kann man versuchen, diese auszugleichen. Bei all den Überlegungen können zudem auch die Ausrüstungskarten (Aktionskarten) helfen. Liegen die „richtigen“ aus und kann man sich diese in seinem Zug auch sichern, bringen sie schon hilfreiche Vorteile und Effekte für die gewählte Strategie mit sich.
Auch die Anordnung der Spielpläne spielt eine entscheidende Rolle bei der taktischen Überlegung. Welcher Weg ist kurz, welcher Abstecher lohnt sich und was macht das Wetter? Weitere Überlegungen sind also nötig, will man erfolgreich sein. Aber egal, wie man es betrachtet: Die Lösung ist meist die gute Mischung. Rund 5-7 Opferkerzen, 7 von 10 Yak-Plättchen, 5-6 Warenplättchen, 5 Tierkarten, 2–3 komplette Landkarten und recht nah dran an Kathmandu. Das wäre eine gute Mischung, die zum Erfolg führen kann. Allerdings sollte man dabei auch immer seine Mitreisenden im Auge behalten.
Gastmeinung Meinung (Heike)
Ein Rennspiel! Fast schon ein Laufspiel! Damit hatte ich bei dem fröhlich bunten Tischaufbau mit vielen Komponenten und dem Autorennamen Stefan Feld nicht gerechnet. Tatsächlich habe ich in meiner Verwirrung erst einmal gefragt, ob ich denn auch „schmeissen“, also Figuren hinauswerfen, darf, wenn ich auf ihr Feld komme. Die Antwort? Ein despektierlicher Blick von Spielevater Oliver und der Hinweis auf die Regeln: Da nimmt man der anderen Person doch ein Landkartenteil weg! Asche auf mein Haupt.
Spass beiseite. Ja, ich war wirklich ob des Laufspiels verwirrt. Aber zwei Sachen sind mir neben den wirklich tollen Deluxe-Komponenten und den farbenfrohen, atmosphärisch stimmigen Illustrationen von Patricia Limberger und Lukas Siegmon aufgefallen:
Die Regeln sind leicht verständlich und schnell erklärt. Das Spiel bietet damit eine gute Zugänglichkeit. Meine Aktionen entspringen einer leicht nachvollziehbaren Logik, denn wir haben hier keinen Expertenkracher liegen, bei dem man bei mangelnder Konzentration vor Möglichkeiten schier den Überblick verlieren kann: Würfeln, Reise planen, Ressourcen planen, Spass beim Wettrennen haben. Wer optimiert spielen möchte, bekommt definitiv Futter. Aber auch wer lieber auf sein Bauchgefühl hört, erlebt belohnende Momente: Mal ergattere ich einen nützlichen Gegenstand oder eine Zeichnung, mal erwische ich einen Tempel, werde eine Kerze los und bekomme sogar einen Teil einer Schatzkarte und mal freue ich mich diebisch, wenn ich zwar nicht „schmeissen“ kann, mir aber ein Landkartenteil stibitze.
Persönlich bin ich Freundin von thematischen Spielen. Auch weiss ich, dass viele gute Spiele von ihrer wohldurchdachten abstrakten Mechanik leben. Und jedes Mal freue ich mich, wenn Thema und Mechanik so schön, stimmig und nativ verheiratet werden, wie hier bei Kathmandu.
Mein einziger Kritikpunkt ist tatsächlich der hohe Preis. Wer das nötige Kleingeld hat, erhält mit Kathmandu ein unterhaltsames Rennspiel im Transitbereich zum Kennerniveau. Ansonsten gibt es auf dem Markt günstigere Alternativen mit einem ähnlichen Spielerlebnis.
Meine Erstpartie haben wir zu viert gespielt, was laut BGG der optimalen Spielerzahl entspricht. Auf diese Erfahrung bezieht sich mein oben geschilderter Ersteindruck.
Olis Fazit
Alles in allem ist Kathmandu ein tolles, fein verzahntes Mangel- und Managementspiel mit zusätzlichem Renncharakter. Jede Partie verläuft anders. Egal, ob zu zweit, zu dritt oder zu viert. Spannend und kurzweilig waren bisher alle unsere Partien.
Die Ausstattung der vorliegenden de luxe Variante ist toll. Die Holzmarker anstelle der Pappmarker sind alleine schon ein haptisches Highlight. Aber, ob das den Preis rechtfertigt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Spielerisch macht es keinen Unterschied, ob de luxe oder nicht. Klar, der SFCC-Fan mag das anders sehen und der Erfolg gibt dem Verlag hier recht.
Euch ist eine Meinung nicht genug?
Schaut doch mal bei den lieben Kollegen vom Beeple-Netzwerk nach. Vielleicht findet ihr unter www.beeple.de noch die eine oder andere Meinung zu diesem Spiel.
Alternativ könnt ihr immer gerne auch auf unserem und auf dem Discord-Server vom Beeple-Netzwerk nach weiteren Meinungen suchen.
© 12.11.2024 Oliver Sack – Abbildungen der Spiele und Regelauszüge ©Queen Games / Fotos: © Oliver Sack
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Der Einfachheit halber, verwende ich meist die maskuline Schreibweise in meinen Texten. Wenn ich von „Spieler“ schreibe, meine ich natürlich immer auch „Spielerinnen“ bzw. „Spieler m/w/d“
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