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In unserer Reihe „Neues vom SpieltischRand“, wollen wir über Dinge berichten, die uns gelegentlich bei öffentlichen Veranstaltungen auffallen. Aber auch Dinge, die wir selbst erlebt haben. Dabei steht jedoch nicht der pure Ernst im Vordergrund. Vielmehr sollen unsere Erlebnisse (unterhaltsam) analysiert werden. Dahinter stehen meist auch langwierige investigative Nachforschungen. Und vielleicht erkennt ihr dabei eine Situation, die ihr ebenfalls kennt, oder sogar genau so selbst erlebt habt, als Opfer.
Viel Spaß.
Der Spieler-Typus „Opfer“ (Ludo Opferix)
Dieser Spieler-Typ kann aber nicht pauschal beschrieben werden. Es muss vielmehr eine zweite, feinere Differenzierung gemacht werden. Daher versuchen wir, diesen Spieler-Typus in 7 Typen zu klassifizieren.
Typ I
Opfer aus Prinzip, immer auf denselben Spieler, aus „Tradition“ oder weil er vermeintlich sonst gewinnt. Meist der, der das Spiel erklärt. Ich spreche hier auch aus eigener Erfahrung. Spiele ich „Werwölfe“, so passiert mir es immer wieder, dass ich als einer der ersten pauschal und aus Tradition verdächtigt werde. Ganz nach dem Motto „Haut den Oli raus und schaut was übrig bleibt.“ Dabei ist es immer egal, welche Rolle ich hab oder was ich zuvor gesagt habe. Selbst wenn man mir glaubt, bin ich weg. Leiden muss dabei gelegentlich allerdings auch der Spieler, der dank Amor die Rolle meiner/meines Geliebten innehat. Kollateralschaden!? Nein, regelkonform.
Typ II
Sieht sich als Opfer, auch wenn dem nicht so ist. Beschwert sich immer, sieht die Situation immer nur pessimistisch. „Immer gegen mich!“ gewinnt meist das Spiel! Zu seinen Standard-Kommentaren gehört „Das hast du so nicht erklärt“ oder auch „Die ganze Zeit schon gegen mich“. Versuche, ihm das Gegenteil zu beweisen scheitern kläglich an seinem Ego. Einen solchen Spieler-Typ habe ich in meiner Familie. Sobald er/sie sich als Opfer sieht, weiß ich genau, ich werde verlieren.
Typ III
Wird automatisch zum Opfer aufgrund des Spielverlaufs. Ist nie wirklich böse gemeint, sondern logisch und regelkonform. Alles hängt dabei mit dem Wettkampf-Charakter eines Spiels zusammen. Jeder will gewinnen. Dabei ist jedes Mittel recht, solange es vom Regelwerk gedeckt ist. Wer Catan kennt, der weiß, hat dein Gegner 8 oder 9 Punkte, tausche nicht, ignoriere ihn. Oder würdet ihr bei Carcassonne eurem Gegenspieler helfen, eine Stadt zu schließen? Nicht wirklich, oder?
Zitat:“ Es ist nix persönliches, es ist schlicht regelkonform!“
Typ IV
Ist eigentlich kein Opfer seiner Mitspieler, sondern eher ein Opfer des Spiels und des Spielverlaufs. Man könnte auch sagen, er ist ein Pechvogel oder, es ist nicht sein Tag. Fehlendes Glück kann schließlich jeden einmal treffen. Den einen mehr, den anderen weniger – „tel-aviv“ wie der Hobby-Franzose sagt. In dieser Situation nützt ihm dann auch keine Statistik. Wenn die Würfel nicht wollen, rollen sie nicht wie gewünscht. Pech!
Typ V
Er kann sich mit seiner Situation in keinem Fall anfreunden. Egal wie er in die Situation kommt, egal welchem Opfer-Typ er primär angehört. Er beendet meist das Spiel zu einem von ihm beliebig gewählten Zeitpunkt, indem er nahezu das gesamte Spielmaterial auf einer Fläche von mindestens 3 qm neben dem Tisch verteilt. Begleitet wird diese Reaktion auch gerne mit dem Kampf-Ruf „Ich hasse euch!“ oder bei Zweier-Partien mit dem etwas vulgäreren „fi… …ch!“. Was dann allerdings am Tisch zurück bleibt, sind wahre Opfer.
Typ VI
Im Gegensatz zum Opfer-Typ III wird der Typ VI nicht automatisch Opfer, sondern er macht sich selbst dazu! Er bettelt förmlich darum, ihm böses anzutun. Ich erinnere mich hier gerne an einen Handballkollegen, damals, bei einem Mannschaftsinternen Catan-Turnier. Folgende Situation, über die wir heute noch sprechen und lachen beschreibt wohl den Opfer-Typ-VI vortrefflich:
Ein Spieler (nennen wir ihn mal Felix) führte mit 9 Siegpunkten, hatte 11 Rohstoffe und stand kurz vor dem Sieg. Einer seiner Gegenspieler (ihn nennen wir Oliver) hatte 8 Siegpunkte, 4 Holz auf der Hand und würfelte eine „7“. Der Felix gab daraufhin regelkonform 5 seiner 11 Rohstoffkarten ab. Oliver klaute bei ihm noch eine Rohstoffkarte „Lehm“. Daraufhin atmete Felix tiiieeef durch und behauptete, dass er immer noch genug Lehm hätte um das Spiel zu beenden. Kurzentschlossen spielte Oliver eine Monopolkarte aus und verlangte: „gebt mir all euer Lehm“. Mit den geerbten Lehm konnte Oliver 4 Straßen bauen, bekam die längste Handelsstraße (ausgerechnet von Felix) und beendete die Partie dank einer verdeckten Siegpunktkarte mit 11 Punkten. Felix fiel auf 7 Punkte zurück und wurde Letzter, da die beiden anderen Spieler auch je 8 Punkte hatten! Ja, so manövriert man sich selbst in die Opferrolle.
Typ VII
Sehr gerne gesehen ist dieser Vertreter der Spezies „Opfer“. Denn er ist der Retter in der Not. Er opfert sich im wahrsten Sinne des Wortes. Nämlich genau dann, wenn ein Mitspieler fehlt. Er opfert sich zum Wohle der Gruppe, damit die Spielrunde überhaupt zustande kommt. Das ist grundsätzlich schon mal sehr edel und nicht selbstverständlich. Er läuft dadurch auch meist nicht Gefahr, selbst zu einem Opfer zu werden. (Ausnahme: Opfer-Typ III und IV)
Fazit
Wie kann man diesen Typen und Situationen aus dem Weg gehen? Ganz einfach, spielt kooperative Spiele. Solltet ihr dennoch in eine Opfer-Situation gelangen, schreibt mir, ich freu mich.
Diese nicht ganz ernst gemeinte Vorstellung eines Spieler-Typus erscheint im Rahmen unserer Serie „Neues vom Spieltischrand“. Für weitere Folgen suchen wir noch Ideen.
Schickt uns eine/eure Idee zum Thema. Nutzt dazu bitte unser Kontaktformular. Wenn wir diese umsetzen, bekommt ihr einen Autoaufkleber „Alltag/Spielen“ von uns als kleines Dankeschön für den Input.
Mein besonderer Dank für die Unterstützung und den Input zu dieser Geschichte geht an: Jutta S.
In der Reihe „Neues vom SpieltischRand“ sind bereits erschienen:
#01 Der „Passiv-Spieler“
#02 Der „Denker“
#03 Das „Opfer“
#04 Der „Regel-Erklärer“
#05 Der Würfel
© Oliver Sack, 2017 – Titelbild Fotomontage: Oliver Sack – Alle Rechte vorbehalten. – Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung.