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Heute präsentiere ich den zweiten Teil meiner Brett-Geschichte. Diesmal werfe ich einen Blick auf Varianten und Ableger, die mit ein oder zwei Würfel gespielt werden. Hier gibt es tolle Spiele aus der ganzen Welt mit überraschend vielen Gemeinsamkeiten.
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Teil 2 - Varianten und Ableger mit Würfel
„Mensch ärgere dich nicht“ – Das Spiel ist bis heute sehr beliebt. Kaum jemand kennt es nicht, die meisten haben es schon mal gespielt. Nach den ersten Erfolgen nach 1914 kamen dann weltweit weitere Varianten und Abwandlungen auf den Markt. Die wohl bekanntesten dabei sind:
1920 „Ludo oder wer Pech hat“, Spear Spiele.
1925 „Der Mann muss hinaus“, Spear’s Spiele.
1927 „Fang den Hut“ (von Otto Maier/Ravensburger)
1930 „Lache nicht zu früh“, Klee.
1938 dürfte wohl der dunkelste Fleck in der Geschichte des Spiels sein. Im Nationalsozilismus hielt der Antisemitismus Einzug in die Spielwarenbranche. Aus „Mensch ärgere dich nicht“ und „Fang den Hut“ entstand „Juden raus!“, ein antijüdisches Brettspiel. Von den Nazis als „außerordentlich heiteres und zeitgemäßes Gesellschaftsspiel“ bezeichnet, ist es laut Spiegel Online „das Geschmackloseste, was die Spielwarenindustrie im Dritten Reich produzierte“.
1959 „Malefiz“ (Ravensburger)
Mitte der Sechziger erschien ein nahezu identisches Spiel in der damaligen DDR unter dem Name „Mensch wir werfen raus!“.
1967 „Trouble“, Irwin Toy Ltd (heute: Hasbro)
1988 „Hexentanz“ (Ravensburger)
Aber auch sonst gab es immer wieder Verlage, die auf der Erfolgswelle mitschwimmen wollten und ihre Version unter anderem Namen auf den Markt brachten (Auswahl):
„Lass dich nicht rauswerfen!“, Sala/Rotsiegel.
„Marsch raus!“, Peri Spiele.
„Nicht aufregen“, Simba.
„Nur keine Aufregung“, Norris.
Weniger bekannt hingegen sind die Spiele „Wahoo“, welches aus dem Südwesten der USA stammt, oder „Uckers“ aus dem Vereinigten Königreich, was traditionell in der Royal Navy gespielt wird. Beide werden ebenfalls mit Würfeln gespielt und basieren ebenfalls auf „Ludo“. Bei „Wahoo“ tauchten erstmals auch Murmeln anstelle der Spielfiguren auf. „Wahoo“ gilt als Vorgänger von „Tock“ und entstand um 1920. Das Spielfeld selbst ist fast identisch mit unserem „Mensch ärgere dich nicht“. Das legt die Vermutung nahe, dass amerikanische Soldaten das „Mensch ärgere dich nicht“ aus Europa während und nach dem Ersten Weltkrieg mitgebracht haben. 1962 tauchte in den USA zudem noch das Spiel „Aggravation“ auf. Im Kern nichts anderes als „Wahoo“, „Sorry!“ oder „Tock“.
Im Laufe der Zeit kamen aber auch noch einige andere ähnliche Spiele auf den Markt. Einige davor möchte ich jetzt vorstellen.
Uckers (Huckers)
Das Spiel wurde 1937 als „Huckers“ in einem Tagebuch eines Soldaten der Royal Navi erstmals erwähnt. Gespielt wird Uckers im Gegensatz zu „Ludo“ mit zwei Würfeln, wobei die Regeln im Wesentlichen vom Spiel „Ludo“ stammen. Heute ist es in weiten Teilen der Streitkräfte des Vereinigten Königreichs verbreitet, wobei die Regeln je nach Zweig der Royal Navy variieren können. Am bekanntesten sind hier die WAFU-Regeln der Fleet Air Arm.
Gespielt wird auf einem Spielbrett, welches sich je nach Waffengattung der Commonwealth-Streitkräfte im Design unterscheiden. Die Bretter sind dann meist mit den Wappen und Farben der Truppen versehen.
Das Spiel Uckers wird entweder zu zweit oder zu viert gespielt. Zu zweit bekommt jeder 2 Farben (8 Steine), zu viert wird in Teams gespielt. Ziel des Spiels ist es, als erstes Team alle 8 Spielfiguren ins Ziel zu bringen. Dabei können eigene Spielsteine auch gestapelt werden, um nachfolgende Figuren zu blockieren. Da wie bei „Ludo“ eine Figur erst mit einer gewürfelten „6“ ins Spiel kommt, kann es passieren, dass ein Spieler lange warten muss, um seine Figuren über das Brett zu bewegen. Wird jedoch ein 1er Pasch geworfen, kommen alle Figuren des Spielers (gelegentlich auch die des Partners) aus dem Haus auf das Startfeld. Bei einem erneuten 1er Pasch direkt im Anschluss jedoch auch wieder zurück ins Haus. Da immer mit zwei Würfeln gespielt wird, dürfen diese dann auch auf zwei Figuren aufgeteilt werden. Landet man mit einer Figur auf der Figur eines anderen Spielers, wird diese geschlagen und kommt zurück ins Haus. Landet man auf einer eigenen Figur oder auf einer Figur des Partners, so wird gestapelt und nachfolgende Figuren des gegnerischen Teams können nicht mehr überholen, wohl aber die eigenen.
Gewonnen hat das Team, welches als erstes alle Figuren im Ziel hat. Gelingt es einem Team, alle 8 Figuren ins Ziel zu ziehen, ohne dass das gegnerische Team überhaupt eine einzige Figur im Spiel hat (alle geschlagen), spricht man von einem ultimativen Sieg. Der Name des unglücklichen Teams/Spielers wird dann auf der Rückseite des Spielbretts vermerkt.
Fun Fact
Um eine Partie Uckers elegant und stilvoll zu beenden, kann ein „stand up finish“ angekündigt werden, um die letzte Figur mit der passenden Augenzahl ins Ziel zu ziehen. Dabei werden die Würfel geworfen und man verlässt den Tisch, ohne sich das Würfelergebnis anzuschauen. Gelingt dies nicht, kommen also die falschen Zahlen, schleicht man sich demütig zurück an den Tisch, begleitet von Spott und Häme durch die Anwesenden.
WA HOO
USA, um 1950. Weitestgehend unbekannt bei uns ist „Wa Hoo“. Die Firma Parker Brothers hat es etwa zur gleichen Zeit unter dem Namen „Aggravation“ vertrieben. Das Spiel stammt ursprünglich aus den Appalachen (Nordamerika) und ist auch im Süden der USA , zum Beispiel in Texas, verbreitet. Es unterscheidet sich etwas von unserem „Mensch ärgere dich nicht“. Auch bei „Wa Hoo“ wird gewürfelt.
Mit einer 1 oder 6 wird eine Kugel auf das Startfeld gesetzt und kann fortan gezogen werden. Grundsätzlich darf bei einer 6 auch erneut gewürfelt und gezogen werden, was zu einer Zugfolge führen kann. Dabei dürfen andere Kugeln übersprungen oder geschlagen werden.
Ein Variante von „Wa Hoo“ erlaubt es zusätzlich auch das eine Feld in der Mitte des Spielplans zu nutzen. Dies kann als Abkürzung verwendet werden. Auf dieses Feld kann aber nur mit einer exakten Augenzahl gezogen werden. In einem weiteren Zug kann so diagonal über das gesamte Spielfeld abgekürzt werden. Eine weitere Variante ist das Spiel im Team, zwei gegen zwei. Hier hat ein Team nur dann gewonnen, wenn beide Spieler alle ihre Kugeln nach Hause (ins Tipi) gebracht haben.
Weitere Infos zu „Wa Hoo“ und ein paar Bilder unterschiedlicher Spielbretter findet man unter www.wahoogames.com
Trouble / Kimble
1967 erschien in den USA das Spiel „Trouble“ beziehungsweise „Headache“ („Frustration“ in GB), welches ein Jahr später, 1968 unter dem Namen „Kimble“ auch in Finnland auf den Markt kam. Das besondere an diesen Varianten von „Ludo“ ist der „Pop-O-Matic“. Dabei handelt es sich um eine transparente Halbkugel in der Mitte des Spielfelds. In dieser Halbkugel liegen zwei Würfel. Durch Drücken auf die Halbkugel wird eine Membran verformt, welches beim Loslassen die beiden Würfel in der Halbkugel springen lässt.
Switch (Gerhards Spiel & Design, 2002)
Im Jahr 2002 veröffentlichte die Firma Gerhards Spiel & Design mit „Switch“ eine Variante von „Mensch ärgere dich nicht“, die mit 2 Würfeln gespielt wird. Dabei dient ein Würfel wie gewohnt zum Ziehen (1 bis 6 Felder), der zweite Würfel bringt zusätzlich Aktionen ins Spiel, die wir zum Teil bereits von „Dog“, „TAC“ und Co. kennen. Die Aktionen, die immer zusätzlich zum Augenwürfel ausgeführt werden, sind:
· Verdoppeln der gewürfelten Augenzahl.
· Gewürfelte Augenzahl rückwärts ziehen.
· Ziehen und erneut würfeln.
· Eine eigene Murmel muss mit einer beliebigen gegnerischen Murmel den Platz tauschen.
· Die Augenzahlen der beiden Würfels können entweder mit zwei Murmeln oder als Gesamtzahl mit einer Murmel gezogen werden.
Im Wesentlichen wird „Switch“ aber wie sein bekannter Vorgänger gespielt, was so auch explizit in den Regeln steht: „Es gelten alle Regeln des bekannten Klassikers.“ Somit ist der eigentliche Unterschied lediglich der zweite Würfel mit den möglichen Aktionen, die eine zusätzliche Dynamik ins Spiel bringen. Auch bei „Switch“ spielt jeder gegen jeden und es gibt eine Variante für 6 Spieler.
… Fortsetzung folgt
Aber ncht nur Varianten mit Würfeln gibt es, sondern auch einige Varianten mit Karten, Diese Varianten schauen wir uns im dritten Teil genauer an.
© 22.09.2021 Update 29.11.2023 – Oliver Sack – Abbildungen der Spiele und Regelauszüge beim jeweiligen Verlag / Fotos: © Oliver Sack
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