Lesezeit: 9 Minuten
von Oliver
Kein Spiel hat die Brettspiellandschaft so geprägt wie 1995 (Die Siedler von) Catan. Das Spiel hat nicht nur das angegraute Image von Brettspielen abgestoßen, sondern auch einen ganzen Industriezweig wachsen lassen. Dies erzeugte aber auch einen erhöhten Rohstoff- und Energiebedarf – was eine Überleitung!
Mit „Catan Energien“ kommt nun auch die Klimapolitik in Catan an. Zwar siedeln wir wie gewohnt auf unserer Insel, handeln mit Mitspielenden und verbauen Rohstoffe zu Siegpunkten, aber diesmal mit Blick auf Umwelt und Klima. Es ist aktuell nicht das einzige Spiel, das den Klimawandel thematisiert und so versucht uns Verbraucher zu mehr Klimaschutz zu sensibilisieren. Doch steckt jetzt noch Catan im Spiel oder überwiegt der gehobene Zeigefinger der Klimaschützer? Passt das aktuelle Setting überhaupt zum gewohnten Mittelalter-Setting? Wir meinen ja, denn das Spielgefühl wirkt vertraut und die „7“ bleibt ärgerlich.
Name: Catan-Energien
Für 2 bis 4 Personen, ab 12 Jahren
Autoren: Klaus und Benjamin Teuber
Illustration: Ian O’Toole
Grafik: Michaela Kienle und Az Sperry
Verlag: Kosmos
Spieldazuer: 60-100 Minuten
Platzbedarf: ca. 100×80 cm
Verlagstext
Catan braucht Energie! Die Spielerinnen und Spieler sind verantwortlich für den Bau von Kraftwerken, um den Energiebedarf der modernen Insel zu decken. Doch Vorsicht: Wenn sie sich für Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen entscheiden, steigt die Umweltverschmutzung auf Catan. Auch der Bau von Siedlungen und Städten hat negative Auswirkungen auf die Umwelt. Glücklicherweise können Kraftwerke, die erneuerbare Energien nutzen, die Verunreinigungen neutralisieren. In diesem eigenständigen Spiel liegt es ganz bei jeder Person, wie die Umwelt auf Catan gestaltet wird. Welchen Weg werdet ihr wählen?
Quelle: Kosmos.de
Das Spiel
Wer Catan kennt, wird sich hier sehr schnell zurechtfinden. Alle wesentlichen Elemente des Klassikers finden sich in Catan Energien wieder. Wir würfeln, erhalten Rohstoffe, bauen Straßen, Siedlungen und Städte. Wird eine „7“ gewürfelt, kommt der Räuber und wir verlieren gegebenenfalls die Hälfte unserer Handkarten. Alles wie gehabt.
Zu all dem kommen jetzt noch ein paar neue Elemente. Zu den bekannten Rohstoffkarten kommen „Energiemarker“ und „Forschungskarten“ hinzu. Letztere gleich noch mit einem Handelsvorteil von 3:1. Außerdem haben wir jetzt verschiedene Ereignisse, die durch Ziehen von sogenannten „Energie-Chips“ ausgelöst werden.
Auch bei den Erträgen ändert sich etwas. So wird beispielsweise bei einer „Forschungsstätte“ (Stadt) nicht wie gewohnt der doppelte Ertrag erzielt, sondern immer die Kombination aus 1 Rohstoffkarte und 1 Forschungskarte. Zusätzlich zu jedem Ertrag gibt es, soweit ein Kraftwerk an der entsprechenden Forschungsstätte beziehungsweise am „Dorf“ (Siedlung) steht, einen Energiemarker. Diese können später für Sonderaktionen genutzt werden.
Komplett neu und für das Spiel von zentraler Bedeutung ist der Spielfeld-Rahmen. Hier passiert so einiges. Der wichtigste Teil dabei ist die „globale Verschmutzungsleiste“. Alles was wir im Spiel bauen, erzeugt eine Verschmutzung! Ausnahme: grüne Kraftwerke. Die globale Verschmutzungsleiste zeigt an, wie viele Energie-Chips eine Person vor dem Würfelwurf aus einem Säckchen ziehen muss. Diese Chips werden dann im entsprechenden Bereich auf dem Rahmen abgelegt und lösen, falls der jeweilige Bereich dann voll ist, Ereignisse aus. Diese können gut sein, sind zu Beginn einer Partie aber eher schlecht. Das größte Problem mit den Energie-Chips ist aber, dass diese nur in einer begrenzten Zahl zur Verfügung stehen. Ist das Säckchen leer, bevor eine Person die obligatorischen 10 Punkte erreicht hat, endet das Spiel sofort und es hat nicht die Person gewonnen, die zu diesem Zeitpunkt die meisten Siegpunkte hat, sondern die, die am meisten grüne Kraftwerke gebaut hat.
Apropos grüne Kraftwerke. Diese bekommen wir und das ist neu, von unserem persönlichen Tableau. Dort befinden sich neben unserem Vorrat an Straßen, Dörfern und Forschungsstätten auch ein Vorrat an braunen und grünen Kraftwerken. Diese können wir zu unseren Dörfern oder Forschungsstätten bauen, was uns dann wiederum beim Ertrag zusätzlich einen Energie-Marker einbringt. Auch der Bau dieser Kraftwerke hat Einfluss auf die globale Verschmutzungsleiste. Während die günstigen braunen Kraftwerke die globale Verschmutzung weiter in die Höhe treiben, können wir durch den Bau teurer grüner Kraftwerke die globale Verschmutzung eindämmen und reduzieren. Zusätzlich kommt mit jedem gebauten grünen Kraftwerk noch ein weiterer Energie-Chip in das Säckchen. Das ist gut.
Auch auf dem persönlichen Tableau sammeln wir unsere Energie-Marker, um sie für zusätzliche Ressourcen oder andere Vorteile wieder auszugeben. So können wir beispielsweise unser Handkartenlimit von 7 auf 10 Karten aufstocken oder braune Kraftwerke wieder vom Spielplan entfernen.
Doch was macht jetzt die globale Verschmutzung mit uns? Sobald ein Bereich einer Verschmutzungsart auf dem Rahmen voll ist, wird ein Ereignis ausgelöst. Durch dieses Ereignis kommen dann meist „Umweltschäden“-Marker ins Spiel und blockieren entweder Ertragszahlen oder Dörfer oder Forschungsstätten. Wir bekommen so weniger Erträge! Gut, dass diese Umweltschäden nach nur einem Ertragsausfall wieder entfernt werden. Diese Nachteile betreffen meist jedoch nur die Person, die die schlechteste Energiebilanz aufweist. Alle anderen haben Glück. Sie trifft es meist weniger hart.
Am Ende gewinnt, wer entweder wie gewohnt 10 Siegpunkte erreicht hat, oder wenn das Säckchen zuvor leer ist, wer die meisten grünen Kraftwerke gebaut hat.
Unsere Erfahrungen und Eindrücke
Catan Energien bringt einiges Neues mit und bleibt dabei doch irgendwie vertraut. Wer Catan kennt, der wird sich hier sehr schnell zurechtfinden. Wer Catan nicht kennt, sollte besser erst einmal das Grundspiel kennenlernen, denn sonst wird es zu viel und man wird sehr schnell ins Hintertreffen geraten.
Der Druck, der durch die Energie-Chips vermittelt wird, gefällt uns und bringt einen kooperativen Moment ins Spiel. Zwar baut jeder für sich und zum eigenen Vorteil, muss aber auch immer das Gemeinwohl im Blick haben.
Etwas ungewohnt sind die Erträge bei einer Forschungsstätte (Stadt). Da man jetzt wie bei einem Dorf nur noch eine der entsprechenden Ressource erhält. Das macht es schwer, schnell an benötigte Ressourcen zu kommen, um zum Beispiel weitere Forschungsstätten oder Entwicklungskarten zu kaufen. Zwar bekommt man durch die Forschungsstätte zur Ressource noch eine Forschungskarte, mit der man Kraftwerke bauen kann, es bleibt aber das Gefühl „zu wenig“ Rohstoffe zu bekommen. Vielleicht kommt daher auch das Gefühl, eine Partie würde sich in die Länge ziehen.
Das Ziehen der Energie-Chips aus dem Säcken vor einem Würfelwurf war für uns zunächst noch sehr ungewohnt für eine Partie Catan. Anfangs haben wir immer wieder mal vergessen, einen Chip zu ziehen. Dazu kam, dass man beim Ziehen der Chips ja schon etwas vor dem Würfeln macht und dadurch das eine oder andere Mal vergaß, eine Ritterkarte (hier „Umweltinspektor“) vor dem Würfeln zu spielen. Ich hab doch schon etwas gemacht – Mist.
Das ganze Thema „Energie“ wirkt im Spiel alles andere als einfach nur „draufgesetzt“. Die Thematik fügt sich gut ins Spiel ein, auch wenn wir das klassische Mittelaltersetting etwas vermissen. Aber damals gab es ja auch weder Kraftwerke noch ein Problem mit Umweltverschmutzung. Durch das Verlegen des Settings in die Neuzeit haben sich auch einige gewohnte Begriffe und Bezeichnungen geändert. Zwar bleibt die „Entwicklungskarte“ eine „Entwicklungskarte“ und „Holz“ bleibt „Holz“, aber alles andere hat sich geändert, auch wenn wir weiterhin die Namen der klassischen Rohstoffe verwenden und den „Räuber“, „Räuber“ nicht „Umweltinspektor“ nennen. (30 Jahre Catan haben Spuren hinterlassen.)
Von vielen Mitspielenden wurde besonders die Siegpunktübersicht auf dem Spielfeldrahmen gelobt. Diese wurde oft als hilfreich oder gar Erleichterung bezeichnet, dann man müsse nicht permanent nachrechnen, wer wo Punkte mäßig steht. Als Catan „Profi“ braucht man diese aber nicht. Schließlich sieht man auf einen Blick, wer wie viel Punkte hat und vor allem, wer schon lange eine verdeckte Entwicklungskarte vor sich hat. Also uffbasse!
Fazit
Im Kern bleiben wir also der vertrauten Catan-Tradition treu. Doch dieses Mal steht der Umweltschutz im Mittelpunkt unserer Entscheidungen. Jede unserer Handlungen – insbesondere das Bauen – hat direkte Auswirkungen auf die Umwelt. Die begrenzten Energie-Chips, die wir in jeder Runde ziehen, erzeugen einen ständigen Druck, der uns zwingt, mit Bedacht und Effizienz vorzugehen. Wir müssen schnell bauen, doch dabei auch das Wohl aller Spieler im Blick behalten. Dies bedeutet, dass wir persönliche Fortschritte auf der Punkteleiste manchmal zugunsten des Gemeinwohls zurückstellen müssen. Dadurch kann sich eine Partie zwar etwas in die Länge ziehen, doch das Gefühl, ständig gegen die Zeit zu spielen, bleibt präsent und sorgt für eine gewisse Spannung und Dynamik. Die Zeit ist jedoch nicht unendlich – und hier wird der Bezug zur Realität deutlich. Wenn wir unsere Ziele weiterhin ohne Rücksicht auf die Umwelt verfolgen, führt dies unweigerlich zum Ende des Spiels. Und das – im wahrsten Sinne des Wortes.
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Alternativ könnt ihr immer gerne auch auf unserem und auf dem Discord-Server vom Beeple-Netzwerk nach weiteren Meinungen suchen.
© 23.08.2024 Oliver Sack – Abbildungen der Spiele und Regelauszüge ©Kosmos / Fotos: © Oliver Sack
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