Lesezeit: 10 Minuten
von Heike
Mit dem großen und nach wie vor anhaltenden Erfolg des Schmidt Spiels Die Quacksalber von Quedlinburg, gekürt zum Kennerspiel des Jahres 2018, scheint Schmidt hier eine Marke etablieren zu wollen. Die Quacksalber haben im Laufe der Zeit zwei Erweiterungen und eine Promo-Erweiterung erhalten, zwei Big Box-Versionen und auch ein Kinderspiel ist bereits in den Spieleregalen zu finden. Mit dem Duell erschien nun der neueste Wurf aus der Quacksalber-Welt: Ein reines 2 Personen-Spiel. Mir stellte sich sofort die Frage: Braucht es eigentlich dieses neue Spiel? Was kann es anderes? Was ist hier für mich der Grund, eine weitere Quacksalber-Box in meinem Spieleregal zu beheimaten? Als großer Quacksalber-Fan war meine Neugier auf jeden Fall geweckt, so dass dieses Spiel bei uns zumindest „auf Probe“ einziehen durfte.
Name: Die Quacksalber von Quedlinburg: Das Duell
Für 2 Personen, ab 10 Jahren
Autor: Wolfgang Warsch
Illustrationen: Dennis Lohausen
Verlag: Schmidt Spiele
Spieldauer: 45 – 60 min
Platzbedarf: ca. 27 x 27 cm
Verlagstext
Auf dem Marktplatz von Quedlinburg herrscht reges Treiben. Zwei Quacksalber werben mit viel Getöse und Geschrei um die anwesenden Schaulustigen. Auf beiden Seiten ist höchste Konzentration gefragt, denn jeder Zug beeinflusst direkt die Konkurrenz. Ihr versucht beide, die noch unentschlossenen Patienten zu eurem Stand zu locken. Denn jeder Patient, den ihr dort behandelt, steigert euer jeweiliges Ansehen im Gildenhaus der Quacksalber. Wer von euch wird der nächste Gildenmeister der Quacksalber von Quedlinburg?
Quelle: www.schmidtspiele.de
Das Duell beginnt
Zu Spielbeginn wird das gemeinsame Spielbrett in die Tischmitte gelegt. Optimalerweise zwischen den beiden Duellparteien, denn schon auf dem Spielbrett ist der starke Duellcharakter des Spiels deutlich ersichtlich. Auf dem Marktplatz, mittig gelegen, tummelt sich ein Haufen brauner Holzfiguren, die vom Verlag liebevoll als Patienten bezeichnet werden. An diesem Marktplatz führt ein Weg vorbei. In gegenüberliegender Richtung sind die Stände der beiden Duellparteien angesiedelt. Zu meinem Stand möchte ich die Patienten locken. Mein Gegenüber und ich sind immer abwechselnd am Zug, so dass hier ein andauerndes Hin und Her in der Bewegung des jeweils einen Patienten auf dem Weg entsteht: Je nachdem, was sich an unseren Ständen so abspielt. Hier folgt nun der gedankliche Wechsel zum eigenen Spielbereich in Form der Flaschen, die ihr jeweils, gemeinsam mit dem bereits vorgefüllten Beutel, während der Spielvorbereitung vor euch platziert habt.
Genau wie beim namensgebenden Kennerspiel dürfen wir die spannenden Zutaten, die für Quacksalber und auch Quacksalberinnen offenbar zum „täglich Brot“ gehören, einkaufen und in unseren Beutel stecken. Was da wieder raus kommt, kommt ab in die eigene Flasche! Wird schon das Richtige dabei sein.
Bin ich an der Reihe, ziehe ich die Zutaten Plättchen für Plättchen aus dem Beutel. Kommt mir eine Knallerbse in die Hand, landet sie in der dafür vorgesehenen eigenen Ablage. Ziehe ich hingegen eine Zutat, löst die Beschreibung im zugehörigen Buch auf, ob sofort oder erst zum Rundenende der dort beschriebene Effekt ausgelöst wird. Liegen insgesamt 3 Zutaten im Flaschenhals (den brauche ich primär zur Unterscheidung, welche Zutaten bereits in der Flasche sind und welche in diesem Zug neu hinzukommen), habe ich Großartiges für die gaffende Menge vollbracht! Die Summe der aufgedruckten Ziffern auf diesen 3 „Hals-Plättchen“ plus dem Zahlenwert auf meiner neuesten Knallerbse veranlasst den interessierten Patienten, sich um genau diesen Wert in Richtung meines Stands zu bewegen. Bin ich aber zu enthusiastisch beim Tränke mischen und ziehe zu viele Knallerbsen aus meinem Beutel kann es passieren, dass mir der Trank in der Hand explodiert. In diesem Fall war dieser Zug eine Nullnummer. Der Patient ist definitiv nicht bereit, sich auch nur einen Schritt in meine Richtung zu bewegen und die Runde ist ebenfalls gelaufen. Nach guter Push your Luck-Manier, also wie weit darf ich mein Ziehglück treiben, darf ich aber auch vor jedem neuen Griff in den Beutel entscheiden, ob ich ein weiteres Mal ziehen möchte. Möchte ich dies nicht, ist die Darbietung an meinem Stand vielleicht nicht allzu spektakulär, aber der Patient wackelt dennoch nach oben beschriebener Summenbildung in meine Richtung.
Auf diese Weise macht sich jeder Patient, einer nach dem anderen, auf den Weg zu unseren Ständen. Wird ein Stand erreicht, wird dieser Patient auf das Gildenhaus gestellt und ein neuer Patient beginnt seinen mehr oder minder beschwerlichen Weg zur Heilung. Wer zuerst sechs Patienten auf der eigenen Seite des Gildenhauses stehen hat, beendet das Spiel sofort und gewinnt. Ansonsten ist der Wettstreit nach spätestens 7 Runden vorbei. Dann gewinnt, wer zu diesem Zeitpunkt am weitesten vorne liegt.
Wo ist der Rattenschwanz?
Gemeint ist der Ausgleichsmechanismus aus dem ursprünglichen Spiel Die Quacksalber von Quedlinburg, der sich recht schnell in meinen allgemeinen Sprachgebrauch geschlichen hat. Hier wurde ein wunderbarer Mechanismus ins Leben gerufen, auf Punkteleiste und Holzscheibe dargestellt mit Rattenschwänzen. Er übernimmt das Punktebalancing und verhindert, dass einzelne Personen punktetechnisch „davongaloppieren“.
Auch im Duell wurden Ausgleichsmechanismen integriert – dieses Mal in Hülle und Fülle!
Gleich zu Rundenbeginn werden zwei Münzen mit für diese Runde geltenden Effekten geworfen. Wer aktuell hinten liegt, wählt zuerst.
Erreicht mein Patient einen Stand, wird die Figur aufs Gildenhaus gestellt. Dadurch wird ein Bonus für mein Gegenüber bzw. ein Malus für mich ausgelöst. Außerdem rutscht der konsultierte Stand um 2 Schritte auf dem Weg nach hinten und vergrößert so die Distanz zum Marktplatz.
Gegen Rundenende kommt zudem immer die aktuelle Rundenkarte zum Einsatz. Auf dieser ist eine Waage aufgedruckt. Eine Schale zeigt eine hochwertige Zutat, die andere kann von einer Person individuell mit positiven Effekten gefüllt werden. Auch hier entscheidet sich nach einem Kriterium, wer befüllt, wer zuerst wählt und wer demzufolge den Inhalt der anderen Schale erhält.
Bei der Einkaufsphase haben wir ebenfalls eine Reihenfolge einzuhalten, denn die Zutaten sind in Anzahl und Qualität nur begrenzt erhältlich.
Es gibt also neben dem eigentlichen Ziehen der Zutaten so einiges zu tun.
Unsere Erfahrungen und Eindrücke
Der Verlag ordnet Die Quacksalber von Quedlinburg – Das Duell als Familienspiel ein. Verglichen zum Komplexitätsgrad des großen Vorgängerspiels, das als Kennerspiel ausgezeichnet wurde, könnten hier meines Erachtens ebenfalls entsprechend Diskussionen entfachen: Das Spiel besitzt einen wirklich starken Duellcharakter und der „Rattenschwanz“ greift äußerst träge und braucht etwas Zeit, um anzulaufen. In diesem Spiel ist es wichtig, die Strategie des Gegenübers zu beobachten, nicht den Anschluss zu verlieren und somit sehr strategisch vorzugehen.
Der Rundenablauf spielt sich flüssig, kann aber in Familienspielrunden zum Teil doch recht komplex erscheinen: Wer wirft die Münzen? Wer beginnt das Ziehen? Wann werte ich meine Zutat aus? Was tut sie? Wer liegt gerade zurück? Habe ich den Patienten schon bewegt? Besonders beliebt, wenn der Effekt einer Zutat an 3. Position im Flaschenhals den Patienten bereits bewegt hat. Wer darf das Angebot auf der Waagschale unterbreiten? Wer kauft zuerst ein?
In unseren ersten Spielrunden haben diese Fragen uns sehr beschäftigt, bis diese dann nach und nach in den Spielfluss übergegangen sind. Dennoch fügen sich einige der relativ administrativen Ausgleichsmechanismen meiner Meinung nach nicht allzu nativ ins Spielgeschehen ein. Mein Lieblingsbeispiel: Die Münzen. Sie haben einen Platz auf dem Spielplan, aber jedes Mal muss ich mich aktiv daran erinnern, dass es nun Zeit zum Münzwurf ist.
Die Ausgleichmechanismen können gut greifen. Allerdings erst, wenn man gut ins Spiel gekommen ist. Um beim Einstieg zu helfen, erhalten Neulinge einen Vorschlag zur Kombination der 2 von 3 Münzen und ausgewählte Rundenkarten mit Waagschalen-Befüllungsvorschlägen an die Hand. Dennoch kann ich hier in beiden Fällen mit meiner Wahl leicht „daneben“ liegen, so dass lediglich der Bonus bzw. Malus je neuem Patient im Gildenhaus einen wirklich steuerbaren Ausgleich darstellt.
Wie für ein Quacksalber-Spiel üblich, werden jeder Zutat über Büchersets eigene Aktionen zugeordnet. In diesem Spiel liegen 4 dieser Sets vor, die recht einfallsreich daherkommen. Manchmal ist die Erklärung auf diesen Bücherkarten allerdings nicht so ganz eindeutig. Dafür gibt es aber den beigelegten „Almanach“! Ein beidseitig bedrucktes Blatt. Leider bleiben auch hier noch Fragen offen, denn der Almanach beantwortet nur Fragen zu Büchern, die wohl im Verlag für erklärungswürdig eingestuft wurden. Leider hat der Almanach unsere Fragen nicht beantworten können.
Fazit
Ich liebe Bagbuilder (also Plättchen aus Beuteln ziehen), ich liebe die Quacksalber von Quedlinburg. Das Duell übernimmt den mir bekannten und geliebten Mechanismus und setzt ihn inklusive der variablen Bedeutungen der einzelnen Zutaten für dieses Spiel zielgerichtet ein. Da ergibt auch das abwechselnde Plättchen ziehen Sinn und macht Spaß. Dadurch, dass der Patient ähnlich wie beim Tauziehen immer hin und her bewegt wird, entsteht eine gewisse Spannung und auch ein zugbasiertes taktisches Handeln, so dass es Momente gibt, in denen ich vor Spannung den Atem anhalte.
Was folglich unter den Tisch fällt, ist die Leichtigkeit des parallelen Spielens. Ja, natürlich fiebere ich mit, ob mein Gegenüber nun die 3-er Knallerbse aus dem Beutel zieht oder mir den hart erarbeiteten Patienten „klaut“. Dadurch zieht sich aber die Spielzeit und auch das Spielgefühl in die Länge.
Zum Abschluss kommt noch die Gewissensfrage: Brauche ich Das Duell, wenn ich bereits Die Quacksalber von Quedlinburg in meinem Schrank habe? Meine Antwort für mich ist ganz klar: nein! Persönlich empfinde ich das Mehrpersonenspiel als deutlich eleganter. Hier kann ich mich wirklich auf den Bagbuilding-Mechanismus konzentrieren und das Glücksspiel, das Push your luck, in vollen Zügen genießen. Und der zeitliche Aufwand ist vergleichbar.
Euch ist eine Meinung nicht genug?
Schaut doch mal bei den lieben Kollegen vom Beeple-Netzwerk nach. Vielleicht findet ihr unter www.beeple.de noch die eine oder andere Meinung zu diesem Spiel.
Alternativ könnt ihr immer gerne auch auf unserem und auf dem Discord-Server vom Beeple-Netzwerk nach weiteren Meinungen suchen.
Heike Oberacker war bis vor kurzem noch in der Redaktion von Huch tätig. Nach ihrem Jobwechsel will sie sich weiterhin ihrem Hobby Brettspiele widmen und hat Spaß daran über ihre Spielerfahrungen zu berichten. Wer weiß, vielleicht ist das nicht das letzte Mal, dass Heike ihre Eindrücke auf Spielevater.de teilt. Wir würden uns freuen.
© 30.04.2024 Heike Oberacker – Abbildungen der Spiele und Regelauszüge ©Schmidt Spiele // Fotos: © Heike Oberacker
Info zum Disclaimer: Das Spiel habe ich selbst gekauft und ist demzufolge kein Rezensionsexemplar.
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Transparenz-Hinweis: Wir bekommen keine Bezahlung für unsere Meinung zu diesem Spiel! Soweit nicht anders angegeben, wurden wir durch ein Rezensionsexemplar unterstützt.
Der Einfachheit halber, verwende ich meist die maskuline Schreibweise in meinen Texten. Wenn ich von „Spieler“ schreibe, meine ich natürlich immer auch „Spielerinnen“ bzw. „Spieler m/w/d“
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