Lesezeit: 10 Minuten
von Oliver
Ein Spiel mit Wikinger-Thema? Kommt eher nicht so häufig vor, ist unverbraucht und klingt immer spannend. Erobern, plündern, ausbreiten und beherrschen – klingt alles nicht gerade kooperativ, aber so soll Neuland ja auch nicht sein. Wir betreten eine neue Insel und wollen dort alles für uns haben, doch leider kommen andere und wollen dasselbe und am liebsten gleich gar nicht teilen! Kompetitiver könnte die Einführungsgeschichte gar nicht klingen. Aber hält das Spiel, was es verspricht? Das haben wir uns mehrfach angeschaut und immer wieder sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es eben nicht harmonisch, nicht kooperativ und nicht nett ist. Allzu oft kommt man sich ins Gehege und schnappt sich gegenseitig wichtige Dinge vor der Nase weg. Da heißt es, einen guten Plan zu haben, ganz im Sinne der schlauesten Wikinger die wir kennen. Hey, hey, Wickie…!
Name: Neuland
Für 2 bis 4 unerschrockene Nordmänner & Frauen, ab 10 Jahren
Autoren: Charles Chevallier und Laurent Escoffier
Ilustration: Naïade
Verlag: Game Factory
Lizenzgeber: Gigamic
Spieldauer: ca. 60-90 Minuten
Platzbedarf: ca. 80x100cm zu viert
Nominiert zum Kennerspiel des Jahres 2025
Verlagstext
Lesezeit: 0 Minuten
Dein Ruf eilt dir voraus! Als du mit deinen Wikingern am Ufer anlegst, sind die ertragreichen Landstriche bereits verwaist. Dieses verheißungsvolle Neuland ruft natürlich auch andere Wikinger-Clans auf den Plan, die dir den kostbaren Grund nicht ohne Weiteres überlassen wollen. Breite dich aus, erobere Gebäude und sammle wichtige Ressourcen. Gold, Vieh, Holz … was davon benötigst du für deine Siedlung? Und wo genau willst du die Ressourcen einsetzen? Setze deine Wikinger mit strategischer Weitsicht und taktischer Finesse ein und werde zum größten „Jarl“ deiner Zeit!
Quelle: game factory, Juni 2024
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Das Spiel
Neuland ist ein klassisches Worker-Placement-Spiel, bei dem wir auf einem zentralen Spielplan Ressourcen sammeln und diese auf unserem Spieler-Tableau einpuzzeln. Dadurch erfüllen wir Aufträge und können am Ende punkten. Soweit der grobe Ablauf.
In jeder Runde setzen wir einen unserer Wikinger ein und erhalten sofort eine der vier Ressourcen (Holz, Schaf, Gold oder Axt). Eingesetzt wird der erste Wikinger im Spiel an der Küste. Alle nachfolgenden Spielenden müssen ihre Wikinger angrenzend zu diesem oder einem anderen, einsetzen. Dabei spielt es keine Rolle, ob man an eigene oder fremde Wikinger angrenzt. Klingt sehr verlockend, schließlich wollen wir uns ja ausbreiten und auf Kosten anderer, funktioniert das ganz gut. Die Sache hat nur einen Nachteil. Um gewisse Gebäude zu erobern und in Besitz zu nehmen, sind Gruppen bestimmter Größe oder Ketten aus eigenen Wikingern notwendig. Dies zwingt einen wiederum, möglichst eben nicht an fremde Wikinger anzugrenzen. Das erste Dilemma, denn wir benötigen neben Ressourcen eben auch Häuser, Wachtürme und Burgen.
Alles, was wir auf diese Art einsammeln, also Ressourcen und Gebäude, kommen auf unser Spieltableau. Dort befinden sich zu Spielbeginn bereits die ersten drei Aufgaben-Plättchen (Baustellen) in einem Hexagon-Raster. Unsere Aufgabe besteht nun darin, wenn wir Punkte wollen, an diese bereits ausliegenden Baustellen, die dort geforderten Gebäude- und Ressourcen-Plättchen anzulegen. Können wir alle geforderten Dinge liefern, winken bei Spielende Punkte.
Um weitere Punkte zu ergattern, haben wir jederzeit in unserem Spielzug die Möglichkeit, uns aus einer Auslage noch weitere Aufertungs-Plättchen zu nehmen. Auch diese werden auf dem eigenen Raster platziert und sollten am Ende an die passenden Ressourcen angrenzen. Der Clou daran ist, dass man sich pro Runde zwar nur eines der Aufwertungs-Plättchen nehmen darf, es aber keine Höchstgrenze dafür auf dem eigenen Tableau gibt. Noch ein Dilemma, denn wer zu viel Aufwertungs-Plättchen nimmt und diese am Ende nicht bedienen kann, bekommt weniger Punkte. Hier ist also gutes Timing und noch bessere Planung erforderlich. Immer vorausgesetzt, man bekommt das, was man will, und muss nicht zusehen wie einem (mal wieder) alles vor der Nase weggeschnappt wird. Gut, dass für diesen Fall drei einmalige Bonus-Aktionen zur Verfügung stehen. Mal bekommt man dadurch doppelten Ertrag, mal darf man noch einmal einen Zug durchführen und ein andermal darf man eine eigene Wikinger-Figur auf ein bereits besetztes Feld dazustellen. Das hilft und sollte man auf jeden Fall auch ausnutzen, nur wann? Da diese drei Aktionen einmalig sind, müssen auch diese wohlüberlegt eingesetzt werden. Noch ein Dilemma.
Doch warum sollte ich mir zusätzliche Aufwertungs-Plättchen nehmen? Hier hilft ein Blick auf die Schlusswertung. Am Ende des Spiels gibt es sogenannte Basis-Punkte für die Ressourcen Holz (1), Schaf (1) und Gold (2) auf dem eigenen Tableau sowie für Burgen (4), Türme (2) und Häuser (1). Diese Basis-Punkte werden mit der Anzahl der jeweiligen Ressource multipliziert. Durch die zusätzlichen Aufwertungs-Plättchen, sofern deren Voraussetzungen erfüllt wurden, werden die Basis-Punkte erhöht. Dies bringt dann höhere Wertungen in den einzelnen Kategorien.
Die Ressource „Axt“ kann bereits während des Spiels gewertet werden, aber nur ein einziges Mal. Sobald eine Person während des Spiels mindestens zwei Axt-Plättchen auf dem eigenen Tableau liegen hat, darf man sich eine „Trophäe“ nehmen. Je mehr Äxte man vor sich liegen hat, desto mehr Punkte bringt die Trophäe am Ende des Spiels. Während es für 3 Äxte lediglich sechs Siegpunkte gibt, winken für sechs Äxte schon 21 Punkte! Auch hier ein Dilemma – Timing. Wann nimmt man sich eines der Trophäen-Plättchen? Wartet man ab und nimmt ein höheres oder geht man auf Nummer Sicher und greift früh zu? Es hilft hier auf jeden Fall, seine Gegner im Auge zu behalten und vielleicht auch im richtigen Moment den Bonus „Doppelzug“ einzusetzen, um sich einen Vorteil auf der Jagd nach den 21 Punkten zu sichern.
Egal welche Taktik, egal welche Strategie, am Ende zählen eben nur die gesammelten Siegpunkte.
Meine Eindrücke, Erfahrungen & Taktik
Das Spiel-Cover sieht knuffig aus. Nichts deutet darauf hin, dass wir hier ein knallhartes Strategiespiel mit Worker-Placement-Mechanismus vor uns haben. Permanent ist man mit einem der erwähnten Dilemmata konfrontiert. Und immer wieder hat man das Gefühl an falscher Stelle am Zug zu sein, weil wieder ein Mitspielender einem die bereits eingeplanten Felder streitig macht oder schneller war beim Einsammeln von Plättchen.
Timing ist gefragt, zusammen mit Weit- und Übersicht. Wann schlage ich zu? Wann setzte ich meine Boni ein? Wann nehme ich mir noch ein Aufwertungs-Plättchen? Gerade Letzteres ist sehr schwer, den allzu verlockend ist die Regel, dass man sich in jedem eigenen Zug immer noch ein neues Aufwertungsplättchen nehmen darf. Doch wann nimmt man sich dann welches Plättchen? Hier muss wiederum das eigene Tableau beobachtet werden. Es bringt relativ wenig, wenn man nur ein oder zwei Gold-Ressourcen gesammelt hat, diese aufzuwerten. Vielmehr sollte man schauen, mit welcher Ressource es sich lohnt und dann gezielt darauf hinarbeiten. Also das passende Aufwertungsplättchen zu nehmen, soweit verfügbar und gleichzeitig schauen, dass man genügend Plättchen dieser Ressource auf seinem Tableau liegen hat.
Diese Entscheidungs-Schwierigkeiten und die damit verbundenen taktischen Möglichkeiten, machen Spaß. Es macht Spaß zu versuchen, eine ideale Kombination zu finden, damit sich alles weitere von allein löst und verstärkt. Das ist aber nicht so einfach, da es ja noch die Mitspielenden gibt, die dasselbe wollen. Und dann ist da noch die Möglichkeit, sich viele Aufwertungs-Plättchen zu nehmen. Klar, das klingt einerseits logisch, da es viele Punkte verspricht, aber man muss auch bedenken, dass zum einen der Platz auf dem eigenen Tableau nicht unbegrenzt zur Verfügung steht und zum anderen, dass die Auftrags-Plättchen auch erfüllt werden wollen, um diese am Ende nutzen zu können. Hier ist echtes Feingefühl bei den Entscheidungen gefragt. Ich habe für mich ein Limit gesetzt und versuche nicht mehr als 5 Aufwertungsplättchen zu nehmen. Das ist ein Teil meiner Strategie.
Apropos meine Strategie. Es hat sich für mich ausgezahlt, neben den maximal fünf Aufwertungsplättchen auch eine Ressource (Baum, Schaf oder Gold) so gut es geht, zu verzichten. Also nur das nötigste davon zu besorgen, um mit den beiden verbliebenen Ressourcen und den dazugehörigen Aufwertungen, zu punkten. Dazu versuche ich immer auch beim Nehmen der Ressource „Axt“ die Nase vorn zu haben und gegebenenfalls mit den Boni „Doppelzug“ und „Doppelter Ertrag“ schnell die Ressource „Axt“ zu sammeln.
Aber auch der Blick auf den zentralen Spielplan darf man nicht vergessen. Wo platzieren meine Gegner ihre Wikinger? Wo kann ich ansetzen, um mir einen Vorteil zu verschaffen, und wo muss ich aufpassen, dass mir meine Kette oder Gruppe an eigenen Wikingern nicht unterbrochen wird. Denn so gerät man schnell bei den Ressourcen „Haus“, „Turm“ und „Burg“ ins Hintertreffen und kann dann seine eigenen Start-Baustellen nicht bedienen. Das bedeutet dann Punktabzug bei Spielende! Das will man vermeiden.
Bleibt nur noch die Frage nach vergleichbaren Spielen. Eine Frage, die immer wieder auftritt und die nur schwer zu beantworten ist. Aber fragen wir doch einmal andersherum, was macht Neuland anders als vergleichbare Spiele? Und hier ist mit der Wikinger-Einsetz-Mechanismus am ehesten ins Auge gestochen. Man setzt hier bei Neuland eben nicht zwangsweise seine Wikinger an eigene Wikinger an, auch wenn das viele Vorteile mit sich bringt. Nein, die Möglichkeit, angrenzend zu jedem Wikinger, unabhängig dessen Farbe, anzusetzen, bringt Vorteile und schütz davor, dass man in irgendeiner Ecke des Spielplans abgeschnitten ist und sich gar nicht mehr ausbreiten kann. Aber nochmal, es sollte immer die erste Wahl sein, an eigene Wikinger anzugrenzen, um alle Vorteile der daraus entstehenden Gruppe zu geniessen.
Fazit
Sich von einem Dilemma ins Nächste zu stürzen, macht Spaß. Es sind viele Faktoren, die trotz einfacher Regeln das Spiel zu einem Kennerspiel mit mittlerem Anspruch macht. Der Einstieg ist hierbei noch sehr einfach, aber selbst Anfänger erkennen sehr schnell, wo der Hase läuft. Und der läuft eben nicht immer in die gewünschte Richtung.
Für mich ist Neuland zu Recht auf der diesjährigen Liste der Nominierten zum Kennerspiel des Jahres. Ob es sich dort aber gegen die starke Konkurrenz behaupten kann, bleibt zum aktuellen Zeitpunkt abzuwarten.
Euch ist eine Meinung nicht genug?
Schaut doch mal bei den lieben Kollegen vom Beeple-Netzwerk nach. Vielleicht findet ihr unter www.beeple.de noch die eine oder andere Meinung zu diesem Spiel.
Alternativ könnt ihr immer gerne auch auf unserem und auf dem Discord-Server vom Beeple-Netzwerk nach weiteren Meinungen suchen.
© 04.06.2025 Abbildungen der Spiele und Regelauszüge ©Game Factory // Fotos: © Oliver Sack
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