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Paleo, ein kooperatives Steinzeitabenteuer – alleine diese Ankündigung hat mich schon angefixt. Dass sich dabei der Verlag Hans im Glück noch auf Neuland wagt, hat ebenfalls neugierig gemacht. Die Ankündigung, dass das Spiel Modul basiert sein wird, hat hingegen weniger überrascht, hat dies zuletzt bei First Class ja schon richtig gut funktioniert. Außerdem lässt das Wort „Modul“ bei Hans im Glück Spielen immer auch genügend Platz für Spekulationen in Sachen Erweiterungen. Und, Platz für weitere Module ist meist vorgeplant in den Boxen, die Inlays entsprechend vorbereitet. Letzteres gibt es diesmal zwar nicht, dafür gibt es schon das erste Zusatzmodul „Terrorvögel“ seit der SPIEL.digital.
Name: Paleo
Für 1-4 Spieler, ab 10 Jahren
Autor: Peter Rustemeyer
Illustrationen: Dominik Meyer
Verlag: Hans im Glück
Spielzeit: ca 60-75 Minuten, je nach Level
Platzbedarf: 80 x 120cm (zu Zweit)
Verlagstext zu Paleo
Zu Beginn der Steinzeit, bevor der Mensch sesshaft wurde, war jeder Tag eine Herausforderung. Die Suche nach Nahrung war oft mühsam und die Wildnis voller Gefahren. Nur zusammen konnten die Stammesmitglieder es schaffen, der Natur zu trotzen und ihre Geschichte mit der Nachwelt zu teilen.
In Paleo entscheidet auch ihr gemeinsam, wer welchen Ort erkunden möchte und wer welche Aufgaben erledigt. Dabei stehen euch verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Jedoch wisst ihr erst genau, was euch an einem Ort erwartet, wenn ihr dort ankommt. Je besser ihr diesen erkundet, umso mehr Information habt ihr und könnt euch dementsprechend auf die dortigen Aufgaben vorbereiten. Um diese zu bewältigen, braucht ihr passende Werkzeuge, die Hilfe eurer Mitspieler, und manchmal auch ein Quäntchen Glück.
Paleo – entdeckt spannende Abenteuer in der Steinzeit.
Quelle: www.Hans-im-Glueck.de
So geht Paleo
Über das Spiel und den Spielablauf will ich hier im Detail gar nicht so viel verraten, denn wenn es etwas gibt, von dem das Spiel lebt, dann ist es die Überraschung, das Ungewisse. Zu Beginn einer Partie liegen deshalb auch nur sehr wenige Informationen offen. Wir kennen lediglich unsere Gruppen, unseren Stamm, der anfangs aus zwei Personen pro Gruppe und Spieler besteht. Und wir kennen unser primäres Ziel – überleben! Aber wir haben auch ein sekundäres Ziel und das ist das eigentliche Ziel gemäß Spielanleitung. Es ist unsere Aufgabe, eine Wandmalerei fertigzustellen, bevor wir den fünften Totenschädel auf unserem Tableau gesammelt haben. Gegenüber diesen fünf Totenschädeln stehen die fünf Puzzleteile der Wandmalerei.
Das Grundproblem bei Paleo ist aber das primäre Ziel, nämlich zu überleben. Dies können wir unbeschadet nur, wenn wir am Ende eines Tages all unsere Stammesmitglieder ernähren können und die aktuellen Tagesaufgaben erledigt haben. Sollten wir dabei an der Siegbedingung, der Wandmalerei, arbeiten können, umso besser. Ein Tag wird symbolisiert durch einen Kartenstapel, von dem wir nur die Rückseite kennen. Quasi unser Blickfeld als Steinzeit-Held. Von diesen Karten können wir uns Runde um Runde die Rückseiten der drei obersten Karten anschauen und so entscheiden, wohin wir wollen. Zieht es uns in den Wald, auf der Suche nach Holz oder Nahrung, an den Fluss zur Jagd, oder ins Gebirge. Diese Entscheidungen treffen wir gemeinsam, denn es zählt die Kooperation. Schließlich ging es in der Steinzeit auch nur gemeinsam.
Habe sich alle Spieler für eine Karte anhand der Rückseite entschieden, werden dies gleichzeitig aufgedeckt und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Jetzt offenbart sich, welches Risiko man zum Beispiel beim Gang in den Wald oder an den Fluss eingegangen ist. Egal ob man so Rohstoffe, Nahrung oder gar eine ungemütliche Situation aufdeckt, werden jetzt die Aktionen der Karten und deren positiven oder negativen Auswirkungen besprochen, denn manchmal ist die Reihenfolge beim Ausführen der Aktionen entscheidend. Manchmal jedoch reichen die verfügbaren Ressourcen und Fähigkeiten aber nicht aus, um eine Karte zu erfüllen. Dann sollte man sich Gedanken machen, seinen Stamm zu vergrößern oder neue, bessere Werkzeuge zu beschaffen, um schlagfertiger zu werden. Manchmal, wenn eine Karte negativ ist, was man anhand der Rückseite auch nicht immer erkennen kann, winken zwar lukrative Belohnungen, aber bei Nichterfüllung erleidet man schnell Schaden, den man eigentlich vermeiden wollte.
Manche Karten lassen aufgrund ihrer Rückseite auch erkennen, dass es sich auf jeden Fall um eine gefährliche Situation handeln wird. Doch wie gefährlich, also was man zur Erfüllung tun muss und welche Belohnung man bekommen kann, offenbart sich erst, wenn man sich entscheidet, der Gefahr ins Auge zu blicken. Aber keine Angst, nicht unter jeder Karte lauert Ungemach. Es gibt auch Kartenrückseiten, die immer positive Aktionen erlauben. Naja, meistens jedenfalls. Da bei einigen Karten der Effekt „Lege X Karten verdeckt ab“ ausgeführt werden muss, weiß man nie, wie lange ein Tag geht und welche, meist lang ersehnten Karten, man ablegen muss.
Natürlich gibt es auch Strafen, die wir als Stamm bekommen können. Meist sind dies Schadensmarker, die wir einer unserer Stammesmitglieder zuordnen müssen. Je nach Person, können unsere Stammesmitglieder unterschiedlich viel Schadensmarker aufnehmen. Jedoch, ist das Maß voll, stirbt das Stammesmitglied und beschert uns einen Totenschädel. Kleiner Trost, man verliert zwar auch die Fähigkeiten dieser Person, aber dafür möchte sie in der Nacht keine Nahrung mehr. OK, ein zugegeben schwacher Trost.
Ist der eigene Kartenstapel aufgebraucht, endet der Tag. Haben alle Spieler den Tag beendet, geht‘s gemeinsam in die Nacht. Doch hier droht erneut Ärger für den Stamm. Zuerst müssen alle hungrigen Mäuler gestopft werden. Gelingt das nicht, gibt‘s Totenschädel. Anschließend müssen Tagesaufgaben erfüllt werden. Auch hier gilt, nicht erfüllt bringt Totenschädel! So kann es durchaus sehr schnell gehen, dass dadurch der fünfte Schädel auf das Tableau wandert und die Partie Paleo verloren ist. Hat man so weder das fünfte Puzzleteil der Wandmalerei, noch den fünften Schädel gesammelt, geht‘s in den nächsten Tag. Neue Karten, neue Sorgen, neuer Ärger.
Hat man dann ein Level, eine Mission erfolgreich beendet, kann man das nächste von insgesamt 7 Levels angehen. Hat es nicht geklappt, kann man zumindest mit den gesammelten Erfahrungen das Ganze noch mal probieren. Ehrensache! Aber, die Levels werden immer schwerer. Ich sag nur: Neue Karten, neue Sorgen, neuer Ärger.
Unsere Erfahrungen und Eindrücke zu Paleo
Wenn es ein kooperatives Spiel gibt, das mich nach „Die Crew“ richtig begeistert hat, dann ist das definitiv Paleo. So viel möchte ich gleich mal vorweganmerken. Von der ersten Partie an, war ich begeistert. Die Begeisterung stieg sogar noch von Partie zu Partie und der Ehrgeiz, alle Level zu meistern wuchs an. Auch nachdem wir Level 7 geschafft haben, ließ unsere Begeisterung für das Spiel nicht nach. Da kamen die „Terrorvögel“ (Erweiterungsmodul zur SPIEL.digital) exakt zur richtigen Zeit. 1 Tag nach unserem erfolgreichen Versuch, Level 7 zu meistern, waren sie im Briefkasten. Perfektes Timing.
Aber was ist es genau, das uns bei Paleo begeistert? Die Story? Die Aufmachung? Das Spielprinzip? Keine Ahnung – wahrscheinlich eine Mischung aus allem. Die Geschichte, in die man hereingezogen wird. Der Zufall, den die Kartenstapel mit sich bringen. Die Atmosphäre. Alles zusammen passt hier einfach perfekt. Man fühlt sich hineingezogen in den harten Steinzeit-Alltag.
Ist Paleo repetitiv?
Nein – selbst wenn man ein Level einmal geschafft hat, ist es nicht sicher, dass man dies gleich noch mal schafft. Außer vielleicht bei den ersten beiden Level, die sind noch recht einfach. Grund dafür ist, dass man zwar weiß, worauf es ankommt, die richtigen Karten aber nicht kommen und die falschen Karten kommen meist zu einer ungünstigen Zeit. Das macht jede Runde anders.
Jetzt könnte man sagen, der Zufall durch die Karten sei zu hoch und somit unrealistisch. Nein, dem ist garantiert nicht so. Wenn ich weiß, ich muss in den Wald um Holz zu sammeln, werde ich im Wald auch Holz finden, logisch. Aber wo? Da kann immer ein anderer Ort sein. Zudem weiß ich, dass im Wald Gefahren wie zum Beispiel wilde Tiere lauern, doch ich weiß nicht wo? Mal am Anfang, mal in der Mitte, mal am Ende des Waldes. Nicht nur wir bewegen uns, die wilden Tiere auch und so wird der Zufall in den Karten zu einem Abbild der Ungewissheit der Realität.
Genau so läuft dann jede Partie. Beim ersten Mal ist vieles ungewiss. Beim zweiten Mal weiß man schon was einem so begegnen kann und auf was es ankommt. Beim dritten Mal hat man genug Erfahrungen gesammelt um alles mit einem Plan anzugehen. Doch dann kommt wieder der Zufall! Am Ende des Tages fehlt Nahrung. Nahrung die man in der Runde davor noch problemlos gefunden und gesammelt hatte.
Die Steinzeit war und ist kein Ponyhof!
Mehr zum Spiel
Rund um und zu Paleo haben wir vor der SPIEL.digital bereits mehrfach gesprochen. Im Rahmen des Beeple-Messe-Radios war Paleo gleich drei Mal Bestandteil einzelner Sendungen. Außerdem hatten wir die Gelegenheit, mit dem Autor Peter Rustemeyer über Paleo zu plaudern.
Interview mit Autor Peter Rustemeyer, zum nachlesen.
Podcast-Beiträge von und mit uns zur SPIEL.digital im Oktober 2020 über Paleo:
Interview mit Dirk Geilenkeuser, Hans im Glück – Link zum Beeple-Radio-Archiv
Talk mit den Cliquenabendlern Andy „Smuker“ und Mathias über Paleo – Link zum Beeple-Radio-Archiv
Talk mit meiner Spielgruppe über Paleo (ab 0:34:50) – Link zum Beeple-Radio-Archiv
Erweiterungen und Addons
Seit der Messe SPIEL.digital gibt es ein weiteres Modul mit 18 neuen Karten. Die „Terrorvögel“.
Außerdem gibt es seit kurzem auf der Homepage des Verlags ein Protokoll um persönliche Erfolge und Errungenschaften festzuhalten. Schade das letztere nicht schon im Spiel dabei war.
Auch gibt Hans im Glück einen Hinweis für die, die gerne ihre Karten sleeven: 5,7 x 9cm sind die passenden Hüllen. Knapp 250 Stück werden benötigt.
Das hat bei Paleo nicht gefallen
Es sind wirklich nur ein paar Kleinigkeiten, die uns negativ aufgefallen sind. Als Haupt-Kritikpunkt wäre an dieser Stelle ein fehlendes Karten-Glossar genannt. Obwohl viele Karten dank eindeutiger Symbole selbsterklärend sind, hätten wir uns an ein paar Stellen eine Kartenerläuterung gewünscht. Auch wenn diese in der Regeln erklärt sind, wurden leider nicht alle Karten berücksichtigt. Uns hat das zwar weniger gestört, aber wer jetzt nicht gerade Kontakte zu Autor und Verlag hat, wird sich ärgern. Vielleicht kommen ja noch FAQ auf der Homepage von Hans im Glück.
Fazit
Paleo ist unser Herbsthighlight 2020. Kurz und Knapp und ohne wenn und aber. Daumen hoch.
© 02.11.2020 Oliver Sack
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Abbildungen der Spiele und Regelauszüge ©Hans im Glück / Fotos: © Oliver Sack
Dies ist keine Werbung, dies ist eine rein sachliche Meinungsäußerung zu einem Produkt.
Transparenz-Hinweis: Wir bekommen keine Bezahlung für unsere Meinung zu diesem Spiel!
Der Einfachheit halber, verwende ich die maskuline Schreibweise in meinen Texten. Wenn ich von „Spieler“ schreibe, meine ich natürlich immer auch „Spielerinnen“ bzw. „Spieler m/w/d“