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Renature, das erste Spiel aus dem neuen Verlag Deep Print Games kommt gleich mit drei sehr bekannten Namen aus dem Brettspiel-Universum daher. Kramer, Kiesling, Lohausen – das lässt schon mal aufhorchen und verlangt nach einem genaueren Blick auf das Spiel. Schaut man dann noch, wer sich alles hinter dem Verlagsnamen versteckt, wird schnell klar, hier haben sich ein paar der sehr bekannten Persönlichkeiten der Szene zusammengetan. Hier kann eigentlich nichts schiefgehen sollte man meinen. Doch ist das so? Will man ernsthaft mit Dominosteinen ein modernes Familienspiel präsentieren? Ja, die können und die dürfen das, zudem noch das klassische Element „Domino“ mit einer Kernmechanik „Area Control“ und der bekannten Kramerleiste kombiniert wurde. Ein Geniestreich? Wir haben das Ganze mal genauer betrachtet. Rein optisch macht es jedenfalls schon Mal was her.
(Übrigens, über Domino haben wir letztes Jahr einen Reisebericht aus Kuba veröffentlicht. —> Link)
Name: Renature
Für 2-4 Spieler, ab 8 Jahren
Autoren: Wolfgang Kramer, Michael Kiesling
Illustrationen: Dennis Lohausen
Verlag: Deep Print Games
Vertrieb: Pegasus
Spieldauer: 40-60 Minuten
Platzbedarf: ca. 80×80 cm
Verlagstext zu Renature
Helft der Natur, ein umweltverschmutztes Tal in seinen ursprünglichen Zustand zu verwandeln. Platziert Tier-Dominosteine entlang eines Bachlaufes und bepflanzt die angrenzenden Flächen.
Doch welche Pflanzen solltet ihr zu welchem Zeitpunkt einsetzen? Und wo? Nur wer diese Fragen am geschicktesten zu beantworten weiß, wird diesen naturnahen Wettstreit gewinnen.
Hinter einfachen Regeln verbirgt sich eine Vielfalt an spannenden Entscheidungen und taktischen Raffinessen. Darüber hinaus besticht Renature durch sein tolles Material und wunderschönes Thema. Ein spielerischer Leckerbissen für Familien und Kenner gleichermaßen.
Quelle: pegasus.de
Spielablauf und Eindrücke
Bei „Renature“ vom Erfolgsduo Kramer/Kiesling, ist es unsere Aufgabe, ein von Umweltverschmutzung zerstörtes Wiesental zu renaturieren, damit sich Tiere und Pflanzen dort wieder wohlfühlen. Soweit zum thematischen Rahmen, denn das Spiel ist eigentlich sehr abstrakt und kommt in altbekannter und bewährter Art und Weise daher. Ein Spielplan, eine Kramerleiste, ein paar Plättchen & Holzteile, sowie Spielmaterial das jeder kennt: Dominosteine.
Was sich hier nach einem kleinen, süßen Familienspiel anhört und bei näherer Betrachtung von Illustrationen und Material auch vermuten lässt, ist alles andere als ein kleines Spielchen. Hinter der familienfreundlichen Fassade, verbirgt sich ein knallhartes, abstraktes Spiel.
Spielablauf
55 Dominosteine mit Tierbilder statt Punkten, werden gleichmäßig an die Spieler verteilt. Davon werden drei Steine als persönliche „Handsteine“ aufgestellt, der Rest als Reserve verdeckt abgelegt. Auf die eigene Spielablage werden vier unterschiedliche Pflanzen-Teile gelegt und nach ihrer Wertigkeit (1-4) sortiert. Dazu gibt es noch weitere Teile in neutraler Farbe. Zusammen mit je 6 Wolkenmarker ist das persönliche Spielmaterial nun bereit.
Zu Beginn können Dominosteine auf einem der vier „Eingangsfelder“, beliebig platziert werden. Anschließend muss immer an bereits liegende Steine oder einem noch freien Eingangsfeld angelegt werden. Immer schön Symbol an Symbol, immer passend. Nach dem einsetzen eines Dominosteins, kann nun eines der Pflanzenteile aus dem eigenen Vorrat (Spielerfarbe oder neutral) neben dem eben gelegten Stein, in eines der angrenzenden Gebiete gesetzt werden. So erhebt man Anspruch auf dieses Gebiet und den damit verbundenen Punkten. Zwar gibt es bereits beim Einsetzen der Figur einen Punktebonus, aber erst wenn ein Gebiet komplett umschlossen wird, erfolgt die Vergabe der Gebietspunkte gemäß den Mehrheitsverhältnissen in diesem Gebiet.
Da man immer nur aus seinen drei offenen Steinen wählen darf, kann es passieren, dass kein passender Stein zur Verfügung steht. Dann hilft nur der Joker. Immer eines der 10 Tierarten kommt als Joker in Frage. Passt auch der Joker nicht, so kann durch Abgabe von Wolkenmarker die Tierart für den Joker passend geändert werden.
Überhaupt sind diese Wolkenplättchen ein sehr starkes Element, das einem Spieler zur Verfügung steht. Nicht nur der Joker kann damit geändert werden, sondern es können damit auch Pflanzteile aus Gebieten zurückgeholt werden. Das kann taktisch durchaus Sinn machen, denn dadurch ändert man die Mehrheitsverhältnisse in diesem Gebiet, was bei der Wertung natürlich dann nicht ganz uninteressant ist. Stellt man zum Beispiel dadurch einen Gleichstand zwischen Mitspieler und neutraler Farbe her, geht der Mitspieler leer aus und man bekommt den Gebietsbonus ganz alleine. Das ist zwar zu Beginn einer Partie eher selten der Fall, doch gegen Ende, wenn die Gebiete wertvoller und der Kampf um Punkte und Gebiete härter wird, ein schönes taktisches Mittel mit Ärgerfaktor. Jedoch sind die Wolkenplättchen nicht endlos vorhanden und Nachschub ist selten zu bekommen. Daher muss man sich genau überlegen ob und wann man seine Wolkenplättchen einsetzt.
Spielende
Sobald alle Spieler alle ihre Dominosteine eingesetzt haben, endet das Spiel mit einer kurzen Schlusswertung. Hier gibt es dann auch Minuspunkte, für nicht eingesetzte Pflanzenteile! Es macht folglich keinen Sinn, während der Partie beim Einsetzen der Pflanzenteile zu knauserig zu sein. Immer raus damit!
Eindrücke
Am Anfang spielt jeder mehr oder weniger für sich. Jeder breitet sich ein wenig aus, legt Stein an Stein und besetzt angrenzende Felder mit seinen oder mit neutralen Figuren. Gelegentlich wird eine Wertung ausgelöst und man punktet. Doch irgendwann, etwa zur Halbzeit, wird es enger auf dem Spielplan und man beginnt, sich gegenseitig Gebiete streitig zu machen, indem man seine Spielfiguren zu anderen dazugesellt um bei der Punktevergabe einen Stück des Kuchens abzubekommen. Im weiteren Spielverlauf, merkt man dann aber, dass das nicht reicht und es wird begonnen, gezielt Punkte abzugreifen und die Mitspieler auszubooten. Schluss mit brüderlichem Punktegeteile, jetzt ist sich jeder selbst der Nächste. Die Kriegsbeile und Klappstühle liegen offen …
Das gilt auch und im Besonderen beim Spiel zu Zweit. Auge in Auge mit dem Gegner wird noch mehr geschaut, wie man seinem Gegner schaden kann.
Unser Fazit zu Renature
Die taktische Tiefe die „Renature“ bietet, kann wahrscheinlich von Kindern im Alter von 8 Jahren, noch gar nicht voll und richtig erfasst werden. Da man aber das Spiel problemlos auch aus dem Bauch heraus spielen kann, ist die Altersangabe mit „ab 8 Jahren“, durchaus vertretbar. Spielt man es taktisch, würden wir nach unseren ersten Partien auf jeden Fall sagen, besser ab 10 Jahren.
Ist Renature jetzt ein reines, abstraktes Area Control-Spiel mit Dominosteinen? Nicht ganz, es steckt viel taktisches Potenzial dahinter, so dass ich es eher als ein „Wolf im Schafspelz Spiel mit Area-Controll-Element“ nennen würde, welches ab Halbzeit keinen Kuschelkurs mehr zulässt.
Kein Kennerspiel, was es auch nicht sein will, dafür aber ein grundsolides Familienspiel, das man sich mal anschauen sollte. Uns gefällt es.
© 27.11.2020 Oliver Sack
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Abbildungen der Spiele und Regelauszüge ©Deep Print Games / Pegasus / Fotos: © Oliver Sack
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Der Einfachheit halber, verwende ich die maskuline Schreibweise in meinen Texten. Wenn ich von „Spieler“ schreibe, meine ich natürlich immer auch „Spielerinnen“ bzw. „Spieler m/w/d“