Lesezeit: 8 Minuten
Settlement vom ukrainischen Verlag IGames war schon ein wenig ein Geheimtipp auf der SPIEL’21. Hinter der bestechenden Cover-Illustration versteckt sich hauptsächlich eins: Mangel! Mangel an allem, was nur mangeln kann. Egal ob zu wenige Meeples für die Worker-Placement-Aktionen, fehlende Rohstoffe, um Gebäude zu bauen oder gar der Wunsch nach ein oder zwei zusätzlichen kompletten Runden. Es mangelt an allen Ecken. Wohl dem, der neben einer guten Strategie auch die passenden Ideen hat. Den Mangel in den Griff zu bekommen, ist die wichtigste Aufgabe. Denn mangels Würfel kann man denen auch keine Schuld geben, wenn es mal nicht so funktioniert. Hier ist wirklich jeder seines Glückes Schmied. Ein gut tarierter Mix aus Worker-Placement und Ressourcen-Management.
Name: Settlement
Für 1-4 Spieler, ab 10 Jahren
Autor: Oleksandr Nevskiy
Grafik: M81 Studio
Schachtelillustration: Dmytro Kryvonos
Verlag: IGames
Vertrieb in D: ab Ende 2022 bei Asmodee
Spieldauer: 45-90 Minuten
Platzbedarf: ca. 90x110cm
Verlagstext
Sie sind der Anführer von Siedlern, die neue Länder entdecken. Mit mächtigen Artefakten erkundest du Terrains, jagst Monster, baust Gebäude und errichtest Außenposten. Sammelst Diamanten und Gold, lädst mächtige Helden ein, um deine Siedlung zur berühmtesten aller Siedlungen zu machen!
Settlement ist ein Eurogame, bei dem du deine Siedler und Ressourcen effektiv verwalten musst. Das Ziel des Spiels ist es, bis zum Ende der letzten Runde so viele Siegpunkte wie möglich zu erreichen.
In einer Runde kann der Spieler eine von sieben Aktionen ausführen und einen Helden einladen. Am Ende des Spiels bringen dir die Helden Siegpunkte ein. Manchmal hängt die Punktzahl eines Helden von deinen Gebäuden, Terrains oder Außenposten ab.
Das Spiel endet nach der sechsten Runde. Jeder Spieler zählt die Siegpunkte für seine Heldenkarten und Sondergebäude. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten gewinnt und seine Siedlung wird zum Hauptstadt des Landes!
Quelle: www.igames.ua
(Übersetzt aus dem englischen Text)
Aktuell hoffen wir alle, dass sich die Situation in der Ukraine wieder bessert und wir dieses und andere Spiele von IGames wieder auf unserem Tisch begrüßen dürfen. Zurzeit kennen wir auch keine Bezugsquelle für Settlement, außer dem Sekundär-Markt.
So spielt man Settlement
Jeder Spieler startet mit einem leeren Tableau, sechs Siedler und einem Satz (3) Rohstoffe. Dazu noch einem individuellen Runden-Vorteil der zuvor ausgewählt wurde.
Auf dem Tableau gibt es zwei Bereiche mit jeweils 3×3 Bauplätzen. Im unteren Bereich bauen wir unsere Siedlung auf und aus, welche uns später, wenn wir bestimmte Gebäude-Zeilen aktivieren, Rohstoffe einbringt oder andere Ressourcen-Aktionen erlaubt. Im oberen Bereich befindet sich die Wildnis. Hier erschließen wir neue Rohstoffvorkommen, indem wir neues Gelände erkunden. Doch Vorsicht! Hier lauert schon die erste Gefahr. Manchmal treffen wir hier beim Erkunden neuer Gebiete auf Monster, die wir später zuerst besiegen müssen, um das neue Gebiet nutzen zu können.
Was sich hier jetzt noch recht einfach anhört, ist der eigentliche Kern des Spiels. Über sechs Runden versuchen wir so, möglichst viele Punkte zu sammeln. Aber an jeder Ecke lauern Feinheiten und Handicaps. Pro Runde haben wir sechs Siedler (Meeple) zur Verfügung, um mit ihnen Aktionen auszuführen. Dabei kosten manche Aktionen bis zu drei Siedler, was die Ausbeute einer Runde ganz schön einschränken kann. Im Idealfall versucht man gerade zu Beginn einer Partie also möglichst viele, günstige und vorausschauend Aktionen auszuführen. So kann zum Beispiel mit nur einem Siedler die Siedlung um weitere Gebäude ergänzt werden oder nahe liegende Gebiete in der Wildnis erkunden.
Hat man die ersten Gebäude errichtet, kann mit einem weiteren Siedler eine Zeile Gebäude/Produktionsstätten aktiviert werden. So erhält man dann Nachschub an Rohstoffen, welche für weitere Aktionen verwendet werden können und müssen.
Eine Aktion darf ohne Siedler ausgeführt werden. Zwar nur ein Mal pro Runde (für mehr hat man meist eh keine Rohstoffe), jedoch bringt das bei Spielende wichtige Punkte und kann unter Umständen zusätzliche, temporäre Siedler einbringen. Letzteres hilft wiederum, Aktionen mit hohem Siedlereinsatz zu wählen. Die Rede ist vom Anheuern sogenannter Helden(-Karten). Von diesen liegen immer vier Karten aus, welche jederzeit im eigenen Spielzug gekauft und genutzt werden können.
Diese ausliegenden Helden-Karten haben aber noch eine weitere, unangenehme Funktion. Sie beeinflussen, ob bei neu entdeckten Landschaften im oberen Teil des Spielertableaus Monster auftauchen. Immer wenn eine neue Landschaft erschlossen wird und das darauf abgebildete Monster mit einem auf den Helden-Karten übereinstimmt, so blockiert dieses Monster so lange das neue Gebiet, bis es bekämpft wird. Dieser Kampf gegen Monster kann allerdings bis zu drei der raren Siedler im eigenen Vorrat kosten. Wohl dem, der gerade zufällig zusätzliche Siedler zu Hand hat. Lohnen tut sich der Kampf gegen Monster immer, denn es gibt eine Belohnung in Form von Gold und/oder Edelsteinen welche wiederum an anderer Stelle gut gebraucht werden können.
Nach der sechsten Runde ist Schluss. Was folgt, ist eine recht überschaubare Endwertung mittels Wertungsblock. Dann steht der Sieger fest.
Unsere Eindrücke zu Settlement
Wie schon in der Einleitung geschrieben, mangelt es an allem! Dieser Mangel beginnt bereits in der ersten Runde. Man hat nur drei Rohstoffe, um Kosten für Gebäude zu bezahlen. Ob jedoch bezahlbare Gebäude ausliegen, bestimmt der Zufall. Manchmal liegen auch Gebäude aus, die man haben und gebrauchen könnte, diese aber die falschen Rohstoffe verlangen. Es müssen also zuerst Rohstoffe her. Nur wie? Hier befinden wir uns schon in der ersten Dilemma-Phase.
Wir weichen also aus und versuchen zunächst neue Gelände zu erkunden, denn auch so lassen sich Rohstoffe beschaffen. Doch auch hier lauert eine Gefahr. Man wählt verdeckt ein Geländekärtchen, schaut es an, freut sich über die Rohstoffart und wird direkt mit einem Monster konfrontiert, welches den Rohstoff zunächst unerreichbar macht. Was also tun? Klar, das Monster bekämpfen, um dann die Rohstoffe einzufahren, welche man in der Siedlung zum Bau neuer Gebäude benötigt. Zack! Schon herrscht Mangel! Der für die Runde gewählte Weg kostet sieben Siedler und man hat nur sechs. Eine Heldenkarte könnte helfen, doch auch hier Fehlanzeige! Es mangelt an den richtigen Rohstoffen um den Held in seine Dienste zu stellen.
„Aber man kann doch auch Rohstoffe tauschen!“ Ja klar, kann man. Aber nur wenn man die zum Tausch notwendigen Rohstoffe hat und nach dem Tausch noch die Rohstoffe hat, die man benötigt. Noch so ein Dilemma.
Plan B muss also her, doch auch der fordert Dinge, die man nicht hat und man wird so zu Plan C oder D gezwungen. Na ja, was soll ’s? Nächste Runde klappt’s bestimmt. Mal sehen – was? Letzte Runde? !
Was ich hier kurz beschrieben habe, ist das Dilemma, mit dem man sich über alle sechs Runden rumschlagen muss, um am Ende festzustellen, dass es nicht nur an Rohstoffen, Siedlern und Punkten mangelt, nein, auch mangelt es gefühlt an einer ganzen oder gar zwei, Runden! Stellt sich also die Frage, mit welcher Strategie man an die Sache herangeht. Genau das ist es jetzt, was aus dem Spiel ein Kenner-Spiel macht. Einfache Regeln, gepaart mit Mangel und Dilemmata, fordern einiges von uns Spielern. Da man aber immer das Gefühl hat, Licht am Ende des Tunnels zu sehen, wird das Spiel nicht frustrierend. Im Gegenteil, man will es schaffen, man will es besser machen.
Das Einzige, was hier etwas langwierig werden kann, ist das Warten auf Mitspieler, die alles genau durchkalkulieren wollen und gefühlt ewig für ihren Spielzug brauchen. Wenn dann noch der Satz „Stopp, ich mach das doch anders…“ fällt, wirds unangenehm.
Solo-Variante
Wer mich kennt, der weiß, dass ich nicht gerne und sehr selten etwas solo spiele. Aus diesem Grund habe ich auch Settlement nicht solo gespielt, weil es mich solo absolut nicht reizt. Zumal sich die Solo-Variante so gut wie gar nicht vom Spiel in Gesellschaft unterscheidet. Die Punktetabelle fürs Solospiel lässt sich auch so anwenden.
Fazit
Ein tolles Kenner-Spiel mit vielen kleinen Schräubchen und Rädchen, an denen man drehen und justieren kann. Der permanente Mangel an irgendetwas macht zudem die eigene Strategie zu einer Herausforderung. Auch wenn Interaktion nur selten eine Rolle spielt, hat man nie das Gefühl einfach nur für sich zu spielen. Und gefällt Settlement recht gut und sind gespannt, ob es irgendwann bei einem deutschen Verlag auftaucht. Verdient hätten es Verlag und Autor von Settlement auf jeden Fall.
© 03.04.2022 Oliver Sack – Abbildungen der Spiele und Regelauszüge ©IGames / Fotos: © Oliver Sack
Du hast Fragen oder bist anderer Meinung?
Du möchtest etwas hinzufügen, ergänzen oder kritisieren?
Gerne! Schreib bitte unten in die Kommentare.
Wir freuen uns über jedes direkte Feedback.
Dies ist keine Werbung, dies ist eine rein sachliche Meinungsäußerung zu einem Produkt.
Transparenz-Hinweis: Wir bekommen keine Bezahlung für unsere Meinung zu diesem Spiel! Soweit nicht anders angegeben, wurden wir durch ein Rezensionsexemplar unterstützt.
Der Einfachheit halber, verwende ich meist die maskuline Schreibweise in meinen Texten. Wenn ich von „Spieler“ schreibe, meine ich natürlich immer auch „Spielerinnen“ bzw. „Spieler m/w/d“
Datenschutzhinweis: Unsere Kommentarfunktion speichert die IP-Adressen der Nutzer, die Kommentare verfassen.